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damals nicht unbedingt die Allgemeine Hochschulreife hätte machen wollen. Wenn er ja gesagt hätte, als ihn sein Schmiedelehrer in der 12 Klasse gefragt hat, ob er sein Lehrling werden wolle. Wenn er den lockeren Spruch bei der Oberstufeneinschätzung seiner Mathematiklehrerin nicht als beleidigend aufgefasst hätte:

„Sie sind doch sowieso nicht so der Schreibtischtyp, oder?“

Was wäre dann gewesen?

Wenn er im Allgäu geblieben wäre, was hätte er dann für Erfahrungen gemacht. Bessere? Schlechtere? Wäre er wirklich Kunstschmied geworden und geblieben?

Hätte er Haus, Hof, Frau, Kind und Hund?

Was wäre wenn?

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Alles hat mit einem Arma-Christi-Kreuze angefangen. Unser Schmiedelehrer hat uns nach dem ersten Messer, einer Rose und (bei mir) einer Weinrebe gefragt, ob wir eine Idee hätten, was wir in Zukunft schmieden wollen.

Mein Kumpel wollte einen Brunnen für seinen Hof.

Ich wollte ein Wegkreuz. Ein Arma-Christi-Kreuz. Die Waffen Christi. Massiv geschmiedet und nicht aus Blech ausgeschnitten, wie bei den Kreuzen, die ich kannte.

Kreuze dieser Art, nämlich aus Eisen geschmiedet, gibt es nur im Westallgäu und dort, nur an bestimmten Orten; dort wo sie sich gegen den Himmel und die Nagelfluhkette abheben können. Mein Schmiedelehrer war erst skeptisch und wollte recherchieren. Ich hatte seit dem letzen Besuch im Bauernhofmuseum so ein Kreuz im Sinn gehabt. Und als wir uns zur nächsten Stunde wieder trafen sprudelte es plötzlich nur so aus dem alten Schmied, die Idee mit dem Wegkreuz ist sehr gut, erst habe er nicht so genau gewußt, was ich eigentlich damit meine, aber am Wochenende sei er mit seiner Vespa über Land gefahren und habe sich verschiedene Wegkreuze angeschaut. Er habe sich noch einmal mit der Materie befasst und selbst schon drei Aufträge für die Zukunft in seiner Werkstatt erhalten. Eine echte Marktlücke. Ich hatte leichtfertig gesagt: so ein gußeisernes Kreuz im Format „Gott segne Eure Fluren“ will ich nicht mehr sehen, in meiner Nähe nur ein vollmassives Arma-Christi-Kreuz. Sonst nichts. Nur hatte ich gar keine Nähe und keine Umgebung, so wie mein Kumpel, der einen Hof erben sollte, vor dem bis heute dieser riesige schmiedeeiserne Brunnen prangt.

Noch nicht.

Der Schmied meinte, ich solle diese Art von Kreuzen vereinfachen. Damals wollte ich aber die Ikonographie dieser Mahnmale so interpretieren, dass ich für mich die wichtigsten Waffen Christi, also die Lanzen, Uhr, Leiter, den Hahn, Schwamm und den Strahlenkranz auswähle und nicht eindimensional, sondern dreidimensional schmiede und anbringe.

Am Ende war es ein reines Sonnenkreuz ohne Waffen, aber so sind manchmal die Wege eines Projektes, man fängt an, dann ändert sich was und heraus kommt etwas völlig Neues. Auch durch die Umstände geboren. Denn unsere Schmiede brannte ab und ich konnte das Kreuz nicht mehr vollenden. Es ist das Grabkreuz meiner Mutter geworden. Schön und einzigartig. Ein Meisterstück, dass mir die Tür zur Welt der Kunstschmiede öffnete. Der Schmiedelehrer fragte mich nach meiner Mittleren Reife, ob ich sein Lehrling werden wolle. Das war das erste Mal, dass er sich so direkt einen Lehrling suchte, ohne Bewerbung.

Ich überlegte.

Meine Pläne waren anders, aber da ich sowieso nicht der Streber war und gerne schmiedete sagte ich instinktiv ohne zu zögern einfach zu.

Ich sollte Schmied werden. Meine Eltern waren baff. Der Sohn wollte plötzlich kein Abi mehr machen. Der Sohn hatte sich für eine Lehre entschieden. Seine erste eigene Entscheidung. Überlege es dir doch noch mal in Ruhe. Du kannst später immer noch eine Lehre machen. Das Abi nur jetzt. Das schaffst du dann nicht mehr. Aber irgendwie wusste ich schon damals, so ein Angebot erhält man nur ein einziges Mal in seinem Leben. Engagiert von er Schule weg. Und dann auch noch der Traumjob.

Komisch.

Ich sollte damit recht behalten. Meine Eltern gingen pleite. Ein Bauunternehmer kaufte das Haus eines Arztes. Das war die neue Zeit. Und ich war mit meiner Entscheidung der Zeit voraus. Ich machte nicht das Abitur und studierte wie blöde, um dann keine Stelle zu bekommen. Ich machte nun einfach eine Lehre und zog zuhause aus. Was mir schwer fiel, aber was wieder eine richtige Entscheidung war. Ich machte keinen Zivildienst, das wurde verschoben. Ich schmiedete und ich wusste, dass ich am Anfang nur schleifen und bohren werden würde. Feuer in der Esse machen, Koks auffüllen, Malochen. Lehrjahre sind keine Herrenjahre.

Was ehrt ist Wert!